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AutorenbildSimon Bongers

Gaffen: Likes statt Hilfe?

Aktualisiert: 4. Mai 2020


Immer häufiger beobachte auch ich auf unseren Straßen neben den notorischen Rettungsgassen-Blockierern und Standstreifen-Überholern auch Menschen, denen wohl völlig ihre gute Kinderstube und jegliche Pietät abhanden gekommen zu seien scheint - und das ist noch sehr nett von mir ausgedrückt.


Aber: Wie kommen Menschen dazu, sich an fremdem Leid zu ergötzen? Dabei sogar Rettungskräfte zu blockieren oder sich selbst einer Gefahr auszusetzen?


NEUGIER

Der Mensch hat eine angeborene Neugier! Je dramatischer die Situationen sind denen wir begegnen, desto höher ist die Sensationslust in uns - bei besonders emotionalen Ereignissen wird diese "Lust" sogar noch stärker.


ANGST

In Situationen, in denen die angeborene Neugier und dessen Ausleben moralisch als besonders verwerflich gilt, dadurch sogar Menschenleben zusätzlich gefährdet und Rettungskräfte massiv blockiert werden, verfällt der Mensch - meiner Meinung nach - in eine Art Angst-Tunnel. Die Angst etwas falsch zu machen wiegt dann höher, als die Angst unterlassene Hilfeleistung zu begehen. Sicher gibt es auch eine Menge Menschen die schlicht skrupellos sensationsgeil sind. Häufig ist es aber jene Angst.


SELBSTDARSTELLUNG

Ich habe das Gefühl, dass sich durch soziale Medien die Art und Weise des Konsums verändert. Bilder und Filme müssen krasser, härter und zum Teil abscheulicher sein. Der Konsum steigert dann unweigerlich auch den "Druck" bei den Multiplikatoren durch solche Aufnahmen und dessen Veröffentlichung an Reichweite, Klicks oder Likes zu kommen.


BEWUSSTSEIN

Vielen Menschen ist die Tragweite ihres Handelns oft gar nicht bewusst. Es fehlt an Selbst- und Situationsreflektion. Was bewirkt mein Handeln? Wie würde ich darauf reagieren, wenn es mich betrifft? Ist mein Handeln moralisch verwerflich oder sogar strafbar?

Das fehlende Bewusstsein ist dermaßen hoch ausgeprägt, dass die Einsicht erst später oder überhaupt nicht kommt.


STRAFEN

Der Paragraph 201a des Strafgesetzbuches (StGB) beschäftigt sich mit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Aufgrund der weiteren Zunahme von Gaffern, Fotografen und Filmern auf unseren Straßen, wurden die Bußgelder und Freiheitsstrafen sogar drastisch erhöht. Wer zum Beispiel Fotos oder Filme von einem Unfall erstellt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Bei unterlassener Hilfeleistung sind eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe angesetzt.


FAZIT

Es ist mir unverständlich, warum Autofahrer eine zügige Rettung und Stauauflösung durch Gaffen verhindern. Die o.g. Erklärungsansätze in Ehren muss doch jeder Autofahrer in der Lage sein, Situationen richtig zu erkennen und sein Handeln entsprechend reflektiert danach auszurichten. Wenn nicht, gibt es doch ausreichend, fast schon nervend viele Kampagnen zu diesem Thema.

Als Rettungskraft, Notarzt, Polizist oder Abschleppunternehmer fiele es mir schwer, die Nerven zu behalten.


Jedem Gaffer - oder dem der es mal werden möchte - empfehle ich das Video auf bekannten Portalen, in denen ein fotografierender LKW-Fahrer von der Polizei fast schon genötigt wird, sich den von Ihm fotografierten Unfall mit Todesfolge doch von Nahem anzusehen. Dieser winkt dann - den Tränen sehr nahe - auf einmal sehr kleinlaut ab.



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